Es wird bisweilen vertreten, Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts seien auch dann im Frieden anwendbar, wenn dies nicht durch Normen des Humanitären Völkerrrechts wie Art. 44 Abs. 1 GA I ausdrücklich angeordnet wird.

In diesem Zusammenhang ist angesichts der einer solchen Argumentation regelmäßig entgegenstehenden Wesensverschiedenheit von Frieden  und internationalem bewaffneten Konflikt (insbesondere Krieg) wie von Friedensvölkerrecht und Humanitärem Völkerrecht erhebliche Vorsicht geboten.

Ein Beispiel: Es wurde vertreten, Art. 31 HLKO sei als allgemeiner Regel des Völkerrechts ein „übergeordneter Gedanke“ zu entnehmen, der auch in Friedenszeiten zu beachten sei (Kammergericht, NJW 1991, 2501 [2504]). Andere erwägen einen abwegigen „Erst-recht-Schluß“ vom Krieg auf bestimmte Friedenslagen (Widmaier, NJW 1990, 3169 [3173]). Eine analoge Anwendung von Art. 31 HLKO auf Friedenssachverhalte ist indes nicht möglich (BGH, Entscheidung vom 29.05.1991 [StB 11/91, 3 StE 4/91 - 3 - geh StB 11/91]; BGH, Beschluss vom 30.01.1991 [3 BJs 290/90 - 2 (82) - 2 BGs 38/91, 2 BGs 38/91]). Schon die wesensmäßige Unterschiedlichkeit zwischen Friedens- und Kriegsvölkerrecht verbiete eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Friedensvölkerrecht. Im Kriegsfall bestehe grundsätzlich keinerlei Möglichkeit, Regelungen über den Schutz bestimmter Gruppen am Krieg beteiligter Personen auszuhandeln. Art. 31 HKLO sei eine besonders spezifische auf den Kriegsfall abgestellte Regelung. Schutzrichtung seien die "Kriegsgefangenen"; Art. 31 HKLO sei eine kriegsrechtliche Sondernorm. Ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip des Völkerrechts und damit eine Anwendung in Friedenszeiten, sei daraus nicht abzuleiten. Deshalb scheide auch eine entsprechende Anwendung aus (BGH, Beschluss vom 30.01.1991 [3 BJs 290/90 - 2 (82) - 2 BGs 38/91, 2 BGs 38/91]). Auch das Bundesverfassungsgericht hat zu Art. 31 HLKO darauf hingewiesen, dass es sich bei der HLKO um  „Sonderrecht des Kriegs“ handle,  das die bis 1904/5 gewohnheitsrechtlich entwickelten Kriegsgebräuche kodifiziere. Es habe nicht allgemein darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine analoge Anwendung dieser Vorschriften im Frieden möglich sei. Es habe nur darüber zu befinden, ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG gebe, die eine solche analoge Anwendung zu ihrem Inhalt habe. Das setze voraus, daß die analoge Anwendung des Art. 31 HLKO einer durch die Staatenpraxis bestätigten allgemeinen Rechtsüberzeugung der Staaten entspräche. Dafür gebe es keinen Beleg (BVerfG, Beschluss vom 15.05.1995 (2 BvL 19/91, 2 BvR 1206/91, 2 BvR 1584/91, 2 BvR 2601/93).