Art. 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 02.12.2004 (VN-Staatenimmunitätskonvention) lautet: „Sofern die betreffenden Staaten nichts anderes vereinbart haben, kann sich ein Staat vor ei­nem sonst zuständigen Gericht eines anderen Staates nicht auf Immunität von der Gerichts­barkeit in einem Verfahren berufen, das sich auf die Entschädigung in Geld für den Tod einer Person, für einen Personenschaden oder für einen Schaden an materiellen Vermögenswerten oder deren Verlust bezieht, wenn der Tod, Schaden oder Verlust durch eine dem Staat vor­geblich zuzurechnende Handlung oder Unterlassung verursacht wurde, die Handlung oder Unterlassung ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet dieses anderen Staates stattfand und die Person, welche die Handlung oder Unterlassung begangen hat, sich zum Zeitpunkt der Bege­hung im Hoheitsgebiet dieses anderen Staates aufhielt.“

Es sprechen nach Auffassung des BGH in seinem Urteil (III ZR 245/98) vom 26. Juni 2003 die überwiegenden Gesichtspunkte gegen die Annahme, bei Regeln wie Art. 11 des (Baseler) Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16.05.1972 („Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat.“) handele es sich um mittlerweile geltendes Völkergewohnheitsrecht. Entsprechendes gilt auch für Art. 12 VN-Staatenimmunitätskonvention.

Nach Art. 31 des Baseler Übereinkommens vom 16.05.1972 berührt das Übereinkommen nicht die Immunitäten oder Vorrechte, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden. Eine dem Art. 31 des Baseler Übereinkommens vom 16.05.1972 entsprechende Regelung fehlt in der VN-Staatenimmunitätskonvention. Aus diesem Grunde bestehen durchaus gravierende Unterschiede im sachlichen Anwendungsbereich beider Abkommen, und es war deshalb bei den Ratifikationen des Baseler Übereinkommens ein solch dringender Bedarf für Vorbehalte der Staaten nicht gegeben wie er sich nunmehr hinsichtlich der VN-Staatenimmunitätskonvention zeigt.

An keiner Stelle der VN-Staatenimmunitätskonvention werden Handlungen von Streitkräften in Konflikt- oder Friedenszeiten ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen.

Der Wortlaut des Art. 12 VN-Staatenimmunitätskonvention deutet darauf hin, dass auch Amtshaftungsklagen für rechtswidrige Handlungen von stationierten Truppen im Gerichtsstaat ermöglicht werden. Wie der Kommentar der International Law Commission (ILC) ausdrücklich festhält, sollten nach dem Verständnis der Verfasser allerdings (nur) „situations involving armed conflicts“ ausgenommen sein. Mit Maßnahmen von Streitkräften im Allgemeinen beschäftigt sich der ILC-Kommentar nicht. Die Annahme, die „Deliktsklausel“ des Art. 12 VN-Staatenimmunitätskonvention sei nicht für Handlungen der Streitkräfte in bewaffneten Konflikten konzipiert, weshalb dieser Bereich weiterhin dem Völkergewohnheitsrecht überlassen bleibe, beruht auf dieser keineswegs zwingenden Auslegung. Allerdings ist es durchaus zutreffend, dass sich der Entstehungsgeschichte entnehmen lässt, es sei vornehmlich an Verkehrsunfälle im Aufenthaltsstaat gedacht worden (sog. „insurable risks“), aber auch Geheimdienstaktivitäten, die zur Ermordung bzw. Verletzung von Emigranten im Aufenthaltsstaat  führen, waren Thema.

Die Resolution, mit der das Übereinkommen angenommen wurde (Resolution A/RES/59/38), verweist auf die Erläuterung des Übereinkommens in der Generalversammlung der VN durch den Vorsitzenden des Ad-hoc-Ausschusses, Prof. Hafner. Anlässlich der Erläuterung des Übereinkommen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte der Vorsitzende des Ad-hoc-Ausschusses erläutert:

„The general understanding had always prevailed that they were not. In any case, reference should be made to the Commission’s commentary on article 12, stating that “neither did the article affect the question of diplomatic immunities, as provided in article 3, nor did it apply to situations involving armed conflicts”. It had to be borne in mind that the preamble stated that the rules of customary international law continued to govern matters not regulated by the provisions of the Convention.” (abgedruckt bei Stewart, AJIL 2005, 194, 197 [Fn. 19]).

Ob es sich bei dem Zitat in Resolution A/RES/59/38 um mehr als Courtoisie handelt, erscheint zweifelhaft. Durch Resolution A/RES/59/38 wird die Erläuterung des Übereinkommens durch Prof. Hafner jedenfalls nicht zur authentischen Interpretation. Es handelt sich bei dieser der Annahme durch die VN-Generalversammlung vorgelagerten Erklärung nicht um einen Gesichtspunkt im Sinne des Art. 31 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (WÜV), sondern um ein „ergänzendes Auslegungsmittel“ im Sinne des Art. 32 WÜV, das angesichts des an sich klaren Wortlauts des Art. 12 VN-Staatenimmunitätskonvention nicht zur Auslegung heranzuziehen wäre. Im Übrigen versteht die Erläuterung durch Prof. Hafner „militärische Aktivitäten“ ganz offenbar nur als solche im Rahmen internationaler bewaffneter Konflikte, was nicht ausreichen würde, um die Interessen von Streitkräften in VN-mandatierten Friedenseinsätzen zu wahren.

Wegen des juristischen „Restrisikos“ hinsichtlich der Auslegung des Art. 12 VN-Staatenimmunitätskonvention ist es dringend angezeigt, dass die Staaten, die an VN-Friedenseinsätzen teilnehmen, Vorbehalte betreffend Handlungen von Streitkräften erklären, und sei es für Zeiten internationaler bewaffneter Konflikte rechtsverwahrend.


II.

Art. 27 Abs. 2 und 3 der VN-Staatenimmunitätskonvention lauten:

(2)           Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehreren Vertragsstaaten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Übereinkommens, die nicht innerhalb von sechs Monaten durch Ver­handlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Vertragsstaaten einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Vertragsstaaten binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Einrichtung nicht einigen, so kann jeder dieser Vertragsstaaten die Streitigkeit dem Internationalen Ge­richtshof unterbreiten, indem er einen Antrag in Übereinstimmung mit dem Statut des Ge­richtshofs stellt.

(3)           Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Geneh­migung dieses Übereinkommens oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch Ab­satz 2 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Ver­tragsstaat, der eine solche Erklärung abgegeben hat, durch Absatz 2 nicht gebunden.

Nach Art. 27 Abs. 2 der VN-Staatenimmunitätskonvention kommt somit im Fall von Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Konvention die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs in Betracht, sofern nicht einer der beteiligten Staaten  nach Art. 27 Abs. 3 der Konvention die Erklärung abgegeben hat, sich durch Art. 27 Abs. 2 der Konvention nicht als gebunden zu betrachten.

Die VN-Charta verleiht dem VN-Sicherheitsrat die Befugnis, Maßnahmen zu beschließen, um Urteilen des IGH Wirksamkeit zu verleihen (Art. 27 Abs.  2 der Konvention i.V.m. Art. 94 Abs.  2 VN-Charta).

Die Befugnis des VN-Sicherheitsrats, ein IGH-Urteil durchzusetzen, bestünde auch, wenn abweichendes nationales Recht vorliegt, für Deutschland insbesondere Bundesrecht, auch Bundesverfassungsrecht, oder abweichende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Hierdurch könnten Kernbereiche des Rechtsstaatsprinzips berührt sein (Art. 79 Abs.  3 GG).  Art. 24 Abs. 3 GG („Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.“) deckt dergleichen jedenfalls nicht ab.

Das Bundesverfassungsgericht hat im  Beschluss des Zweiten Senats vom 14.10.2004 (2 BvR 1481/04) betont, das Grundgesetz wolle trotz seiner grundsätzlichen Völkerrechtsfreundlichkeit keine jeder verfassungsrechtlichen Begrenzung und Kontrolle entzogene Unterwerfung unter nichtdeutsche Hoheitsakte. Dem Grundgesetz liege deutlich die klassische Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei dem Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher Rechtskreise handele und dass die Natur dieses Verhältnisses aus der Sicht des nationalen Rechts nur durch das nationale Recht selbst bestimmt werden könne.

Die Erklärung nach Art. 27 Abs. 3 der Konvention müsste somit auch erfolgen, selbst wenn das Zustimmungsgesetz zu dieser Thematik schwiege. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es denkbar, dass ein Vertragsgesetz die Verfassung verletzt, während der Vertrag, auf den es sich bezieht, völkerrechtlich bindet. In solchen Fällen mag der Staat zwar völkerrechtlich verpflichtet sein, den abgeschlossenen Vertrag durchzuführen, er kann aber die Pflicht haben, den dadurch geschaffenen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, soweit dies möglich ist. Der Gesetzgeber kann gehalten sein, alle Möglichkeiten eines irgendwie gearteten Ausgleichs auszuschöpfen, um auf diese Weise den Erfordernissen beider Rechtskreise Rechnung zu tragen (vgl.: BVerfGE 6, 290 [295]; 38, 49 [51]; 45 83 [96]).

Somit müsste eine Erklärung nach Art. 27 Abs. 3 der Konvention erfolgen, um zu vermeiden, dass der VN-Sicherheitsrat IGH-Urteile durchsetzen könnte.